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Die Sorbische Zeitung berichtete über mich

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Die Sprache seiner Fotos faszinierte sie ungemein

Das Fotoshooting einer Räckelwitzerin bewirkte, dass ein bekannter Fotograf aus dem Westen seinen Lebensmittelpunkt in die Lausitz verlegte

Anfang des Jahres, so wird erzählt, war in Räckelwitz noch nicht überall bekannt, dass im Dorf ein bedeutsamer Bewohner lebt. Sorbe ist er nicht. Eine Sorbin jedoch hat ihn inspiriert, so dass der in ganz Deutschland sehr anerkannte Fotokünstler Norman Paeth seinen Lebensmittelpunkt in die zweisprachige Lausitz verlegt hat.

Die Geschichte reicht ins Jahr 2010 zurück und beginnt damit, dass die Räckelwitzerin Birgit B. ein Fotostudio gesucht hat. Sie wollte innerhalb eines Fotoshootings dem Alltag einmal entfliehen und für die Fotos in eine Rolle schlüpfen, von der sie sonst vielleicht träumt. Im Internet hatte sie sich sehr gründlich informiert. „Ich habe so etwas schon einmal mitgemacht. Nun jedoch gab es neue Ideen. Ich wollte beispielsweise mit einer großen Dogge auf dem Foto zu sehen sein. Unter den gefundenen Angeboten war der Favorit bald schon klar. So habe ich mich an ihn gewendet“, erläutert sie.

So kam es dazu, dass Norman Paeth in Heidenheim am Flüsschen Brenz, am Rande der Schwäbischen Alb unweit der Landesgrenze von Baden-Württemberg mit Bayern, in seinem elektronischen Postfach die Bewerbung einer Lausitzerin für ein Fotoshooting fand. „Eigentlich ist es nicht so, dass dafür jemand einen rund 530 Kilometer langen Weg auf sich nimmt. Birgit jedoch war von der Sprache meiner Bilder gefesselt“, blickt der Fotograf auf ihre Anmeldung zurückt.

Den anfänglichen E-Mails folgten bald Telefonate. Schon auf diese Weise sind sich Birgit und „ihr“ Fotograf ungeachtet der räumlichen Distanz persönlich näher gekommen. Sie haben Ideen für die Fotos erörtert. Sie spornten sich gegenseitig an, um das Szenarium für die Arbeit des Fotografen mit seinem ersten Modell aus der Lausitz reifen zu lassen. Gerade dahinter verbirgt sich die so ausgefeilte Professionalität des Künstlers. „Im persönlichen Gespräch versuche ich die Vorstellungen meine Modelle zu erfassen. Meine Aufgabe ist es sie so zu inszenieren, damit das Foto das aussagt, was sie von ihm erwarten“, verdeutlicht Norman Paeth seinen handwerklichen Grundsatz. Sein Einfühlungsvermögen kommt dem zweifellos entgegen. Dass man in Paeth deshalb einem Psychologen vermutet, das ist vielleicht übertrieben. Wenn sich die Modelle jedoch ihm gegenüber nicht öffnen und das notwendige Vertrauen nicht aufbauen können, dann fehlt ihm eine entscheidende schöpferische Bedingung. „Und deshalb dauern die vorbereitenden Gespräche manchmal länger als das eigentliche Fotografieren im Studio“, erläutert er.

Im Oktober 2010 war es endlich soweit. Für die gründlich vorbereitete Arbeit im Fotostudio hatten sie sich ein ganzes Wochenende vorgenommen. „Freitag nach der Arbeit fuhr ich über die Autobahn nach Heidenheim. Ich war mir recht sicher, schließlich hatten wir alle Details besprochen …“, erinnert sich Birgit „… du warst nach der Fahrt etwas abgespannt, so ließen wir den Tag mit Smalltalk enden“, meint ihr heutiger Partner. Die Erwartungen von beiden erfüllten sich, auch das Foto mit der Dogge entstand dabei. Mit nach Hause gebracht hatte sich die Räckelwitzerin einen Muskelkater. „Selbst durchtrainierten Sportlern passiert das. Bei meiner Arbeit müssen die Modelle in Posen längere Zeit die Spannung halten. Diese statische Anstrengung jedoch sind unsere Muskeln kaum gewöhnt“, beschreibt der Fachmann diese Nebenerscheinung der Studioarbeit.

Es erwies sich als Zufall, dass Norman Paeth genau eine Woche später gemeinsam mit einem Kollegen-Fotografen ein neues Fotostudio eröffnet hat. „Ich komme wieder“, das war für Birgit schon bei der Verabschiedung eine klare Angelegenheit. Und so brauste sie einige Tage später erneut über die Autobahn in die Stadt zwischen Stuttgart und Ulm …

Einmal fuhr das Lausitzer Auto von Ost nach West, dann wieder das schwäbische vom Westen in den Osten. Für Norman Paeth tat sich eine neue Welt auf. „Hier ist es aber flach“, dachte er sich, als er das erste Mal auf der Autobahn den Burkauer Berg hinunter fuhr. Scherzhaft ordnet er die Lausitz für sich „irgendwo zwischen Ostfriesland und der Schwäbischen Alb“ ein. Unsere Heimat hat er sich auf seine Weise angeeignet – mental. „In Heidenheim leben rund 50 000 Menschen. Bautzen ist nicht ganz so groß. In Bautzen jedoch ist mehr Kultur, auch mehr Geschichte zu erleben. Gewölbekeller wie in den hiesigen historischen Häusern gibt es in Heidenheim nicht …“ Mit anderen Worten: Das altehrwürdige Bautzen hat den Mann aus Schwaben sehr fasziniert. Auch wenn ihm die Lausitz recht eben erscheint, die Teichlandschaften inspirieren ihn ungemein. Dort fühlt sich der Fotokünstler sehr wohl. Es ist diese Einzigartigkeit, die er vorher nicht kannte. Mit jedem Besuch in der Lausitz konnte er sich besser vorstellen seine Heimat zu verlassen und sich hier einen neuen Lebensmittelpunkt einzurichten. Um eine berufliche Zukunft fürchtete er nicht.

Was für Lausitzer die normalste Sache der Welt ist, stellt sich für den Fremden als Überraschung dar: die deutsch-sorbische Zweisprachigkeit. „Ständig zwei Bezeichnungen auf den Ortstafeln, dass verwirrt am Anfang schon …“ Dann erzählt Norman Paech lieber das, was er oft von seinen westdeutschen Besuchern gehört hat: „Die Leute wissen, dass die Grenze nah ist. Etwas verwundert fragen sie dennoch, ob die Aufschriften in tschechischer oder polnischer Sprache seien.“ Dann antwortet er ihnen, dass sie Sorbisch sind. „Das Sorbische wurzelt in lebendigen Traditionen, man findet sie täglich in vielfältigen Formen. Gut, dass das so ist!“

Gemeinsamkeit, Gegenseitigkeit, Zuneigung, Liebe: Für Birgit und Norman Paeth war klar, dass ein gemeinsames Leben mehr sein muss als tägliche Telefonate oder Fahrten am Wochenende auf der Autobahn zwischen Räckelwitz und Heidenheim. „Als die Zeit reif war sich zu entscheiden, haben wir nicht lange nachgedacht: Ich habe die Eltern im Haus und die Tochter in der Schule …“, waren ihre Worte. Und seine Worte „Die nachmittägliche Betreuung in der Schule ist in meiner alten Heimat nicht zu gut geregelt wie hier“ zeugen davon, dass er die familiäre Situation der Partnerin – auch zugunsten von Tochter Julia – akzeptiert.

Rund zwei Jahre wohnt Norman Paeth inzwischen in der Lausitz. Über seinen Beruf lernte er eine selbstbewusste Sorbin und ihre Angehörigen kennen, welchen ihm einen neuen Horizont eröffnen. „B…/Paeth“, letzteres mit einem Filzstift dazugeschrieben, steht auf dem Schild neben dem Klingelknopf an der Haustür. Oben, unter dem Dach, da wohnen sie. Zur Arbeit fährt er nach Bautzen, wo er am August-Bebel-Platz sein Atelier-Studio hat. Viele gemeinsame Ausflüge in die Umgebung bieten interessante Motive, die seinen „Hintergrundspeicher“ für Montagen bereichern. Im Herbst erst war das die Gegend um Lauske bei Weißenberg. Inzwischen befruchtet ihr Urteil über die entstandenen Werke seine Schaffenskraft.

Norman Paeth nennt sich selbst einen „Kopfarbeiter“. Von ihm geschaffene Porträt-Fotomontagen wurden in diesem Jahr zum Beispiel mit dem 3. Preis des Internationen Fotowettbewerbs bpp Contest 2014 ausgezeichnet. Die Offenheit der hiesigen Menschen befördert seinen Umgang mit den Modellen. Meist habe sie klare Vorstellungen über die Aussagekraft des fertigen Fotos.

Das sind keine Teenager oder Schönheiten, sondern vor allem Personen über 40 Jahre, die im Leben an einem Scheideweg stehen oder gerade eine schwere Situation zu meistern haben. Das sind Menschen wie du und ich, die sich danach sehnen dem Alltag zu entrinnen, nach einem Augenblick, festgehaltenen in einer anderen Rolle. „Porträtieren sie mich, ich habe soeben meine Arbeit verloren und möchte mich von meinem Mann trennen. Er weiß es aber noch nicht.“ Diese Worte sind dem Neulausitzer noch gegenwärtig. Mit ihnen erteilte ihm die erste Klientin im neueingerichteten Bautzener Studio einen Auftrag … Axel Arlt

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